Ich denke also bin ich. Nein!

Eines der ersten Bücher das ich zum Thema Selbstfindung las, war ein philosophisches. Wer bin ich und wenn ja, wie viele? von Richard David Precht.
Komplett erstaunt war ich als Precht bereits auf den ersten Seiten „Ich denke also bin ich.“ – einen meiner damaligen Lieblings(leit)sätze – in Frage stellte.
Für mich als Juristin war dieser Satz in Stein gemeißelt. Mit meinem Verstand nehme ich meine Persönlichkeit wahr. Aufgrund meines Verstandes, meiner Persönlichkeit und meiner Erfahrungen treffe ich meine Entscheidungen. Wenn mich daher damals jemand fragte, wie ich meine wichtigen Entscheidungen treffe, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Mit meinem Verstand, auf den kann ich bauen.“ Natürlich habe ich solche Entscheidungen, die ich aus dem Bauch oder aus dem Gefühl heraus traf, gekannt. Ich stempelte sie aber als unzuverlässig und unvernünftig ab und ignorierte sie größtenteils vehement.

Ich denke also bin ich – in Frage stellen?

Alle meine wesentlichen Entscheidungen traf ich damals mit meinem Verstand. Sätze wie „Überleg dir das gut, bevor du dich entscheidest und wiege ab“ oder „Hast du ordentlich darüber nachgedacht, um dir sicher zu sein“ waren damals meine ständigen Begleiter. Im Wesentlichen ging ich immer davon aus, dass mein Verstand die für mich richtige Entscheidung trifft.

Es gab Entscheidungslisten – Pro und Contra fein säuberlich aufgelistet. Es wurde ständig alles Mögliche verglichen und abgewogen. Ich holte unterschiedlichste Meinungen von unterschiedlichsten beteiligten oder auch nicht beteiligten Menschen ein. Meistens mit der Frage – „Was würdest denn du an meiner Stelle machen“. Zukünftige Szenarien wurden durchüberlegt und aus allen „möglichen“ Blickwinkeln betrachtet. Meine Entscheidungen traf ich dann auf der Grundlage ausgedachter Szenarien und Ratschlägen. Sonderlich glücklich, machte mich diese Art der Entscheidungsfindung aber nicht.

Hirngespinste vertreiben und Gedankenschleifen durchbrechen

Ein Buch, das mir damals sicherlich weitergeholfen hätte, sagt solchen selbst erdachten Zukunftsszenarien und Gedankenschleifen den Kampf an.
In dem Buch Finde deine Wahrheit: Dein Recht auf Glück und Frieden werden unter anderem Praktiken angeführt, um aus negativen Gedankenschleifen auszusteigen. Ganz besonders hat mir die vorgestellte Übung The Work – Überprüfe deine Überzeugungen von Byron Katie gefallen.
Bis ins Detail sind diese Fragen von der Autorin Martina Sailer in ihrem Buch anhand unterschiedlichster Beispiele ausgearbeitet worden. Diese bieten eine gute Basis, um diese Übungen zu verstehen und zu festigen. Mit diesem Buch könnt Ihr euch wahrlich viele komplett unnötigen Pro und Contra Listen ersparen– probiert es aus!

Und nun…

Prechts Erkenntnis, dass Descartes mit – „Ich denke also bin ich“ – schlichtweg falsch lag, die traf mich wie der Blitz.
Descartes vergisst bei seinen Überlegungen über das Sein völlig auf den Körper. Man kann vor allem auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse der Hirnforschung, den „Geist“, das menschliche Bewusstsein, den Verstand nicht vom Körper bzw. der unterbewussten Seite trennen. Sie gehören unwiderruflich zusammen für ein Ich-Verständnis und somit auch für das Sein.

Unser Verstand, gibt uns lediglich eine Vorstellung von unserem Sein, das Sein selbst ist er aber nicht.

Wenn der Körper einen wesentlichen Anteil am Sein hat, wäre es dann nicht sinnvoller, die Entscheidungen aus dem Körper zu treffen und wie geht das?
Und vor allem, welche Rolle sollte dann der Verstand überhaupt noch spielen bei der Entscheidungsfindung?
Das sind Fragen auf die ich in Prechts Buch keine Antwort fand und mit denen ich mich in den nächsten Artikel beschäftigen werde – bis dahin seid gespannt!